Schockwellen gingen durch das beschauliche Österreich. Die Schwedenbome, eine Institution, eine luftig leichte Schokolade Kreation, stand kurz vor dem Aus. Alleine der Gedanke, dass der österreichische Schaumkuss bald durch Produkte wie den deutschen Dickmann oder den Ikea Cocosboll ersetzt würden, trieb den österreichischen Feinschmeckern den Angstschweiß auf die Stirn. Wenn 10.000de Österreicher sicher einer Petition zur Rettung der Schwedenbombe anschließen, dann muss die Lage ernst sein. Wahrscheinlich wäre der Aufschrei kleiner gewesen, wenn eine der Großparteien die Selbstauflösung beschlossen hätte. Selbst Ikea erkannte den Ernst der Situation und nahm die Schwedenbombe in ihr Sortiment auf. Gerettet wurde die Walter Niemetz Süßwarenfabrik – Fabrikation von Zucker-, Schokolade-, Konditorei- und Dauerbackwaren GmbH & Co KG von der schweizerischen Heidi Chocolat AG, die nicht nur die Fabrik im 3. Wiener Gemeindebezirk kaufte, sondern auch die zugehörigen Marken wie Swedy oder eben die Schwedenbombe.
Während die österreichischen Bürger schlaflose Nächte verbrachten und es vereinzelt zu Schwedenbomben Hamsterkäufen kam entschloss ich mich zu einer der seltenen Führungen anzumelden. Genau genommen werden keine Führungen angeboten. Wenn man das Glück hat einen Großabnehmer zu kennen, dann bekommt einen seltenen Einblick in die heiligen Hallen der Schwedenbombenproduktionsstätte.
Der Tag beginnt am frühen Vormittag. Die Schwedenbomben werden im Herzen Wiens hergestellt. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet
Der Tag beginnt am frühen Vormittag. Die Schwedenbomben werden im Herzen Wiens hergestellt. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich die österreichischen Lotterien. Wer vor der Schwedenbomben Zentrale im Rennweg 52 steht, der ist verwundet, dass nur ein kleines Zinshaus mit einem Shop und einer Einfahrt zu sehen ist. Entsteht hier wirklich die weltberühmte Schwedenbombe?
Ein kurzer Rundgang im Hof lässt keinen Zweifel offen. Die Schwedenbombe wird hier hergestellt, wie der kleine Schwedenbombentransporter beweist. Zuerst zog es mich jedoch in den Shop. Hier werden alle Produkte ausgestellt, die in Österreich produziert werden. Durch die Übernahme der schweizerischen Heidi Chocolat AG hat sich die Produktpalette erheblich erweitert. Es werden zu den Klassikern wie Sweeny oder Schwedenbombe auch diverse Schokoladesorten angeboten, die eher hochpreisig sind, aber erstklassig schmecken. Kein Vergleich mit den Schokoladen die in den Diskountern angeboten werden. An der Kasse darf man gleich eine Schwedenbombe probieren. Ein Angebot dem ich nicht widerstehen konnte.
Wenig später wurden wir von dem Produktionsleiter persönlich durch das Werk geführt. Alles beginnt mit der Füllung der Schwedenbombe. Die genaue Zusammensetzung ist geheim, soviel wurde uns aber verraten. Die Zutaten bestehen aus Eiweis, Zucker, Glykose und Agar Agar oder auch Agartang genannt. Der Vorteil von Agartang ist, dass er geschmacksneutral ist und sich sehr gut als Geliermittel eignet. Der Einsatz in der Lebensmittelindustrie ist relativ selten, da der Preis von Agartang realtiv hoch ist (Wikipedia Agar). Alle Zutaten werden in große Kessel gekippt und von ordentlich durchgeführt. Wenn der Schaum die richtige Konsitenz hat, dann wird er im Eiltempo zu den Dressierautomaten gebracht.
Diese Maschinen spritzen den weißen Schaum auf runde Waffeln. Anschließend werden sie mit Schokolade überzogen und mit Kokosraspeln bestreut. Anzumerken ist, dass es bei Niemetz nur zwei Sorten von Schwedenbomben gibt. Schwedenbomben mit und ohne Kokosraspeln. Früher gab es auch mal die Bombini, die heute leider nicht mehr produziert werden. Gerüchten zufolge gibt es einen Zusammenhang mit dem Konkurs und den früheren Eigentümern. Der damalige Leasinggeber baute die Maschinen während der finanziellen Schieflage des Konzerns wieder ab. Die Verpackung der Schwedenbomben wird per Hand durchgeführt. Bei den Dressiermaschinen setzt man seit Anbeginn auf die Marke Oka. Dieser Marke sind die Schwedenbomben Hersteller bis heute treu geblieben.
Erstaut war ich, dass keine Schwedenbombe der anderen gleicht. Während die Dickmanns (meiner Ansicht nach) wie Klone aussehen, hat jede Schwedenbombe einen eigenen Charakter. Geschmacklich gibt es keinen Unterschied, optisch gibt es leichte Abweichungen. Ein Effekt der durchaus gewollt ist.
Interessant bei unserem Rundgang war auch, dass wir nirgendwo ein Lager entdecken konnten. Der Grund liegt darin, dass Schwedenbomben nur auf Bestellung produziert und noch am selben Tag ausgeliefert werden. In der Lebensmittelindustrie war mir dies bisher nur bei Gemüse wie Salat oder sehr leicht verderblichen Waren bekannt. Nicht einmal Fisch wird am Tag der Produktion geliefert. Bei der Führung drängte sich uns die Frage auf, warum man es bei Auslieferung so eilig hat und wie lange Haltbarkeit der Schwedenbomben ist? Die Antwort war durchaus überraschend. Schwedenbomben halten 25 Tage bei Zimmertemperatur und die Auslieferung erfolgt deshalb so rasch, damit die Produkte möglichst frisch beim Händler ankommen bzw. der Kunde möglichst lange Zeit diese zu konsumieren. Uns wurde auch empfohlen die Schwedenbomben nicht im Kühlschrank zu lagern, da dieser dem Produkt Feuchtigkeit entzieht und somit die Qualität der Schwedenbomben leide. Am besten lagert man Schwedenbomben zwischen 14 und 21°C.
Besonders fasziniert war ich davon, dass bis in die 50iger Jahre jede einzelne Schwedenbombe mit einer Goldplakette aus Papier verziert wurde. Diese Plaketten wurden von Hand aufgebracht. Die Geschichte hat meinen persönlichen Ehrgeiz geweckt. Großzügigerweise hat man mir nach der Führung eine der wenigen noch erhaltenen Goldplaketten überlassen. Daheim angelangt hab ich sogleich versucht die Plakette auf eine Schwedenbombe zu pinseln.
Bei der Goldplakette handelte es sich um echtes Papier. Vor dem Verzehr der Schwedenbombe wurde diese entfernt. Interessant war auch die Tatsache, dass die Plastikschale in den 70iger Jahren patentiert wurde und bis heute in unveränderter Form verwendet wird.
Die Verpackungsgrößen variieren zwischen 6 Stück (Plastikschale), 20 Stück (Karton) und 40 (Karton).
Fazit:
In Summe war es für mich – als alter Schwedenbombenfan – ein echtes Erlebnis. Die Fabrik selbst verströmt den Charme des vergangenen Jahrhunderts. Selbst die Büros der Vorstände sind sehr spartanisch eingerichtet. Die gelebte Bescheidenheit ist durchaus eine wohltunende Alternative zu den Hochglanzbüros der Hightech Konzerne.
08.10.2014 – Nachtrag :
Ich werde immer wieder gefragt, ob auf den Bildern oder dem Film ein Copyright liegt. Die Bilder habe ich selbst gemacht, den Film auch. Alles kann frei verwendet werden.